COVID-19 wird soziale und gesundheitliche Ungleichheiten verstärken – [Gastbeitrag]

Die Pandemie sowie die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung treffen manche Menschen härter als andere. Die Infektion selbst gefährdet neben älteren Menschen und anderen Risikogruppen insbesondere sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen – in Europa sowie weltweit. Sie können oft weder Abstands- noch Hygieneregeln einhalten, sind auf ihren Lohn angewiesen und haben noch dazu oft keinen Zugang zur Krankenversorgung oder können sich diese nicht leisten. 

Auch die Eindämmungsmaßnahmen treffen global nicht alle Menschen in gleichem Ausmaß. Je weniger ausgebaut und ausgestattet die Gesundheitssysteme, desto eher bricht die reguläre Versorgung ein – Impfprogramme pausieren, Krankheiten werden später erkannt, Behandlungen chronischer Erkrankungen vernachlässigt, Operationen verschoben. Es wird ein starker Anstieg verschiedener Infektionserkrankungen erwartet, der zu rund 1,5 Millionen zusätzlichen Toten durch Tuberkulose, 0,5 Millionen durch AIDS, 0,4 Millionen durch Malaria und vielen weiteren führen könnte. 

Nicht nur gesundheitlich, auch sozial verstärken sich Ungleichheiten weltweit – insbesondere in geschwächten Krisen- und Konfliktgebieten. Die Vereinten Nationen und die Weltbank gehen davon aus, dass weitere 34-60 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze rutschen werden. Aufgrund reduzierter Nahrungsmittelproduktion, Abbruch von Lieferketten und steigender Preise ist laut Welternährungsprogramm mit einer Verdopplung der akut durch Hunger gefährdeten Menschen auf 265 Millionen zu rechnen. Die Schulschließungen können nicht überall (digital) kompensiert werden, es fehlt vielerorts einer ganzen Generation ein wichtiges Jahr ihrer Ausbildung. Auch das Pausieren sexueller Aufklärung und der Mangel an Verhütungsmitteln wird in den kommenden Monaten sichtbar werden. 

Die WHO prognostiziert in ihrem schlimmsten Szenario, dass circa 190.000 Menschen in Afrika an COVID-19 versterben könnten. Die Todesfälle durch Pandemiefolgen wie Armut, Hunger, aufkeimende Infektionskrankheiten, nicht-übertragbare Krankheiten uvm. werden diese Zahl bei weitem übersteigen. 

Die COVID-19-Pandemie führt uns vor Augen, wie viel Ungerechtigkeit es in der Welt gibt: gesundheitlich, sozial und ökonomisch. Um das zu ändern, müssen wir uns kurzfristig dafür einsetzen, dass besonders betroffene Staaten medizinische Unterstützung erfahren; personell und materiell. Langfristig aber, müssen wir grundlegender dafür sorgen, dass es Ländern durch Frieden, Stabilität und mit internationaler Unterstützung möglich ist, soziale und gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen.    

 

Claudia Böhm

Vorstandsmitglied IPPNW

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Hierbei handelt es sich um einen Gastbeitrag des Vereins IPPNW – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.. Mehr über den Verein und die studentischen Gruppen findet ihr auf deren Website und auf Facebook, Instagram und Twitter.