https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31180-6/fulltext?utm_source=Global+Health+NOW+Main+List&utm_campaign=53b18449d6-EMAIL_CAMPAIGN_2020_05_22_02_47&utm_medium=email&utm_term=0_8d0d062dbd-53b18449d6-2955601

Über die Kommunikation von Fehlern: zurückgezogene Studien

Wenig Zeit bedeutet Stress und Stress führt bekanntlich zu Fehlern. Zeit ist auch in einer Pandemie ein ausschlaggebender Faktor. Nicht nur bei den Eindämmungsmaßnahmen, sondern auch bei der Entwicklung von Therapien. Zurzeit werden vermehrt pre-prints (also noch nicht von einem*r unabhängigen Wissenschaftler*in überprüfte Studien) und retrospektive Studien veröffentlicht, um möglichst schnell Klarheit in den Dschungel aus Unklarheiten rund um COVID-19 zu bringen. Auch wenn die Intention dahinter größtenteils uneigennützig sein mag, ist bei dem Faktor Zeit Vorsicht geboten.

 So mussten diese Woche zwei eben erst veröffentlichte Studien wieder zurückgezogen werden, da Zweifel an der Datenerhebung aufgekommen waren. Bei der einen Studie handelt es sich um im Lancet veröffentlichte Ergebnisse über die Anwendung von Hydroxy-/Chloroquin (wir haben berichtet), bei der anderen um eine im NEJM veröffentlichte Studie zur ACE-Hemmer und SARS-CoV-2. Beide Male wird betont, dass keine offensichtliche Datenmanipulation vorliegt, jedoch starke Zweifel an der Richtigkeit der Daten bestehen. Im Falle der Lancet-Studie wurden die Daten von einer Firma erhoben, welche der Aufforderung zur unabhängigen Überprüfung der Daten nicht nachgekommen war/nachkommen konnte (maschinelles Lernen liefert Ergebnisse, aber keine Algorithmen). Die Studie ist deswegen von den Mitautor*innen zurückgezogen worden.

 Besonders retrospektive Studien können relativ schnell durchgeführt werden, liegen in ihrem Evidenzlevel aber weit hinter den zeitaufwendigen randomisiert kontrollierten Studien. Das liegt daran, dass sie höchst anfällig für systematische Verzerrungen sind, welche bei der Planung einer prospektiven randomisierten Studie in die Studienplanung einbezogen werden können.

 Ein Fehler misst sich an seinen Konsequenzen. Im Fall der Lancet-Studie wurden zwar auf die initiale Veröffentlichung hin einige randomisierte Studien mit Hydroxy-/Chloroquin pausiert, aufgrund der schnellen Korrektur aber nun wieder gestartet.

 Essentiell ist also die Kommunikation von Fehlern und die Reaktion auf diese. Unterscheiden muss man auch zwischen bewussten Täuschungen mit Daten, welche selbstverständlich strafrechtlich verfolgt werden müssen und statistischen Fehlern (Statistik liefert Wahrscheinlichkeiten, keine Sicherheiten!). Obwohl nun die Diskussion um die Verwendung von Hydroxy-/Chloroquin wieder aufflammen wird, bleibt zu bedenken, dass auch eine positive Auswirkung von Hydroxy-/Chloroquin auf den Verlauf von COVID-19 noch nicht ausreichend nachgewiesen ist.

 

Weiterlesen:

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113530/COVID-19-Journals-ziehen-umstrittene-Surgisphere-Studien-zurueck?rt=6a1a74dfe827647f851ae46305bad588