170 Nobelpreisträger*innen und Regierungschef*innen fordern Patentaussetzung bei Covid-19-Impfstoffen

Letzte Woche unterzeichneten 170 namhafte Persönlichkeiten einen Brief an US-Präsident Biden. Darin fordern sie die Aussetzung des TRIPS-Abkommens.

TRIPS steht für„Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“. Es regelt diese Aspekte für Länder, die der Welthandelsorganisation WTO angehören. Auch Patente für Covid-19-bezogene Arzneimittel gehören dazu.

Schon im Oktober 2020 haben Südafrika und Indien bei der WTO beantragt, auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zu verzichten. Das Ziel soll eine Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19 sein. Ausnahmsweise könnten Länder dann selbst entscheiden, geistige Eigentumsrechte von Pharmaunternehmen für Covid-19-bezogene Arzneimittel für die Dauer der Pandemie nicht umzusetzen.

Würde dem Antrag stattgegeben werden, dann hieße das zum Beispiel Folgendes:

  •         Einzelne Pharmaunternehmen könnten nicht mehr allein bestimmen, wie teuer Impfstoffe sind, wo sie hergestellt werden und wer sie herstellen darf.
  •         Auch andere Produktionsstandorte könnten Covid-19-Impfstoffe oder-Medikamente herstellen, nicht nur die, die mit Pharmafirmen Abkommen haben. Mehr Impfstoff stünde zur Verfügung. Bisher herrscht ein großes Ungleichgewicht bei der globalen Impfstoffverteilung.
  •         Der Preis für die Impfstoffe würde sinken, wenn Generika hergestellt werden können.

Die Entwicklung und Erforschung von Impfstoffen wurden zum großen Teil aus öffentlichen Geldern finanziert. Logisch wäre es also, wenn das Ergebnis auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stünde, die es bezahlt hat. Die taz vergleicht die Patentvergabe in diesem Fall gar mit einem „Massenmord“. Profite dürften nicht wichtiger sein als Menschenleben.

Was spricht also dagegen? Reto Hilty, Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb nennt im Interview einige Argumente. Wenn die Patente für Grundlagen wie die mRNA-Technologie ausgesetzt würden, dann bestünde für Pharmaunternehmen kein Anreiz mehr, auf dieser Grundlage beispielsweise Krebsmedikamente zu entwickeln. Zudem gäbe es schon einen Wettbewerb zwischen den Pharmafirmen, durch möglichst hohe Produktion einen großen Marktanteil zu erreichen. Das Problem läge vielmehr darin, dass es nicht genug spezialisierte Hersteller gäbe, die solche Impfstoffe produzieren könnten. Länder wie die der EU, die sich zu viele Impfdosen gesichert haben, sollten “Gutes tun” und diese weltweit gerecht verteilen.

Auch die bvmd positioniert sich ähnlich wie die Nobelpreisträger*innen für den TRIPS-Waiver-Antrag. Mehrmals wurde dieser im WTO-Rat abgelehnt, eine Dreiviertelmehrheit ist nötig. Vor allem High-Income-Countries wie die USA und die EU blockieren den Antrag, möglicherweise wegen des Drucks aus der Pharmalobby.

Ihr könnt eine Bürgerinitiative zu dieser Thematik unterzeichnen, die die europäische Kommission zu einer Unterstützung von z.B. TRIPS-Waiver auffordert: https://eci.ec.europa.eu/015/public/#/screen/home

Die Anstalt hat das Dilemma kreativ aufgezeigt: https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-clip-8-188.html

Etwas veraltete, aber gute Erklärungen finden sich unter https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/faq/1927

 

Helena Salamun