Agenda 2030 in Gefahr?

Die Sustainable Developmental Goals der Vereinten Nations sind zwar absichtlich hoch gesteckte Entwicklungsziele, doch noch nie war ihr Erfolg derart in Gefahr wie jetzt. Insbesondere SDG1 „Armut beenden“  ist durch die Pandemie in weite Ferne gerückt.

Eine Studie der United Nations Universität schätzt jetzt, dass als Folge der Pandemie etwa 420 bis 580 Millionen Menschen kurzfristig unter die Armutsgrenze rutschen könnten. Das wäre aber das bei weitem schlimmste Szenario, immerhin 1/15 der Weltbevölkerung! Nichtsdestotrotz sehen die Schätzungen zur Zeit nicht rosig aus.

Doch wie funktioniert so eine Schätzung eigentlich? Schon einmal die Anzahl von Murmeln in einem Glas geschätzt? Keine Sorge, etwas verlässlicher sind diese Berechnungen schon.

Die Schätzung der erwähnten Studie basiert auf drei verschiedenen Szenarien, und zwar auf einem Rückgang des Haushaltseinkommens um 5%, 10% oder 20%. Hinzu kommt, dass es, angepasst an die Lebenshaltungskosten eines jeden Landes, mehrere Armutsgrenzen gibt, die alle in Betracht gezogen werden. Hierbei wird Armut definiert als ein Tagesbudget unter US$1.90, US$3.20 oder US$5.50. Das sind also neun verschiedene Möglichkeiten. Das erwähnte schlimmste Szenario berechnet daher den Ausgang bei einem Rückgang des Haushaltseinkommens von 20% und einer definierten Armutsgrenze von US$5.50. Hinzu kommt, dass bei der Berechnung aktuelle Initiativen von Regierungen, welche einer derartigen Entwicklung entgegenwirken sollen, noch nicht mit einbezogen werden. Die Autoren der Studie machen außerdem darauf aufmerksam, dass bei der Berechnung davon ausgegangen wird, dass sich die wirtschaftlichen Kürzungen neutral, unabhängig vom Arbeitsmarkt, zeigen und dass ausschließlich auf Konsum und Einkommen eingegangen wird. Armut ist aber multifaktoriell und nicht nur auf unabhängige monetäre Variablen zu begrenzen. So zeigt sich Armut zum Beispiel ganz klar im Gesundheitsstatus sowie am Bildungsstand einer Person.

Derartigen Schätzungen darf aufgrund vieler Limitationen also nicht zu viel Bedeutung zugemessen  werden, sie haben dennoch ihre Berechtigung um potentielle Risiken aufzuzeigen. Auch andere Studien von der Internationalen Arbeitsorganisation oder dem International Food Policy Research Institute sagen eine Zunahme der Armutszahlen voraus, wenn auch in geringerem Ausmaß. Bestreiten lässt sich nicht, dass die Pandemie eine große Herausforderungen für die SDGs darstellt. Die weltweiten Armutszahlen könnten zum ersten Mal seit 1990 wieder steigen und damit den Progress in SDG1 um ein Jahrzehnt zurückwerfen. Dass Armut eine Erhöhung der Mortalität zur Folge hat ist unbestritten. Eine Schätzung der indirekten Todesfälle durch die Pandemie bleibt noch abzuwarten.

Die Ergebnisse der Studie in einem Bild: die neun Szenarien aufgefächert nach Regionen. Die Prozente zeigen den Anteil der Bevölkerung, der unter die Armutsgrenze im jeweiligen Szenario rutschen könnte:

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https://www.wider.unu.edu/publication/estimates-impact-covid-19-global-poverty?utm_source=Global+Health+NOW+Main+List&utm_campaign=866f4bdff5-EMAIL_CAMPAIGN_2020_04_09_01_23&utm_medium=email&utm_term=0_8d0d062dbd-866f4bdff5-2955601