COVID-19 – Neurologische Manifestationen

Dass Covid-19 nicht nur eine pulmonale Beteiligung verursacht, zeigte sich in den letzten Monaten, als zunehmend über kardiale, nephrologische, dermatologische und zuletzt neurologische Manifestationen berichtet wurde. So sind eines der beim Wildtyp wohl die am häufigsten genannten neurologischen Symptome während der Infektion mit 19% die Riech- und Geschmacksstörungen. Doch daneben sind auch Kopfschmerzen, Schwindel, kognitive Beeinträchtigungen, Meningo-Enzephalopathien, AIDP (oder besser bekannt als Guillain-Barré-Syndrom) und Miller-Fisher-Syndrom beschrieben worden. 

Im Februar 2021 wurde eine S1-Leitlinie zu neurologischen Manifestationen bei COVID-19 von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie herausgegeben, in der neben den beim RKI aufgeführten auch assoziierte Schlaganfälle, disseminierte intravasale Gerinnung, Epilepsie, Auswirkung auf bestehende Myasthenia gravis, akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) sowie neuromuskuläre Erscheinungen wie die Trias aus Myalgie, Fatigue und Hyper-CK-ämie genannt werden. So entwickelten einer retrospektiven Studie aus Chicago mit 509 Patient:innen von März/April 2020 zufolge 82,3% neurologische Symptome, am häufigsten Muskelschmerzen, Kopfschmerzen , Enzephalopathie, Schwindel, Geruchs- und Geschmacksstörungen und Fatigue. Risikofaktoren hierfür waren die Krankheitsschwere und junges Patient:innenalter, für Enzephalopathie höheres Alter. Laborwertveränderungen ergaben sich nur bei Betroffenen mit Enzephalopathie. 

Hospitalisierte Kinder entwickeln nach einer britischen prospektiven Kohortenstudie an 63 Teilnehmenden (April 2020 bis Februar 2021) übrigens häufiger neurologische Komplikationen im Rahmen von COVID-19 als Erwachsene. Hier auffällig war zum einen ein MIS-C und Enzephalopathie, aber auch epileptische Anfälle bis hin zum Status epilepticus, Schlaganfall, ADEM, AIDP; Chorea, TIA. 

Neurologische Symptome bleiben aber nicht nur Bestandteil der akuten Erkrankung, sondern können auch andauern, am häufigsten nach einer italienischen Studie mit 143 Teilnehmenden Geruchs- und Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Muskel- und Gelenkschmerz. 72,7% der Patient:innen hatten in der akuten Krankheitsphase eine interstitielle Pneumonie. Nach durchschnittlich 60 Tagen hatte etwa ein Drittel noch 1-2 Symptome, mehr als die Hälfte sogar mehrere. Unter den häufigsten berichteten anhaltenden neurologischen Symptomen waren einem systematischem Review vom Mai 2021 zufolge Muskel- und Gelenkschmerz, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und kognitive Beeinträchtigungen.Neben den häufig berichteten Muskelschmerzen fanden sich selten Myositiden, Rhabdomyolyse, intensivmedizinisch bedingte ICUAW (also einer Critical Illness Polyneuropathie und Critical Illness Myopathie) und Myasthenia gravis. Weitere Studien zur Kausalität seien jedoch noch erforderlich. In einer Fall-Kontroll-Studie an 54 Verstorbenen mit Biopsien vom M. Quadriceps femoris und M. Deltoideus fanden sich signifikante Zeichen einer Myositis, die mit gehäuftem Vorkommen von MHC II und NK-Zellen einhergingen. Inwiefern sich diese Ergebnisse auch auf die Entstehung von Muskelschmerzen und Muskelschwäche bei mildem Verlauf oder Post-COVID-Syndrom übertragen lassen, bleibt aber noch weiterer Forschung vorbehalten. Auch wurden 3 Fälle von neu aufgetretener Myasthenia gravis im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion berichtet. 

Ebenso wurde in einer Bestandsaufnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom Mai 2020 ein Fall von neu aufgetretener Myasthenia gravis, 4 mal eine Motoneuronenerkrankung und einmal eine CIDP erfasst. Aktuelle Krankheitsdaten werden im europäischen LEOS-Register erfasst.

Kognitive Beeinträchtigungen bestanden laut einer Umfrage aus Norwegen mit 13 001 Befragten nach acht Monaten noch bei jeder 10. betroffenen Person, wobei der Rücklauf der Fragebögen mit 24% eine Verzerrung der Ergebnisse bewirkt haben könnte. Aktuell werden von der WHO mit Forschenden aus 30 Ländern weltweit die Auswirkungen von SARS-CoV2 auf Kognition und Verhalten in der International Brain Study untersucht.

In der kürzlich erschienenen S1-Leitlinie der AWMF zum Post-Covid-Syndrom werden als häufigste neurologische Manifestationen Fatigue, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen sowie autonome Dysregulation genannt. Ferner werden Schlaganfälle, Myositiden, AIDP; Hirnnervenausfälle, Plexopathien und autoimmune Enzephalopathien aufgeführt. Augenmerk sollte auch auf kognitive Störungen des Planens, der Konzentration, des Gedächtnisses und der Sprache liegen. Hier wird eine weitere Abklärung bei Herdsymptomatik, epileptischen Anfällen oder Verwirrtheit bzw. bei Persistenz nach 3 Monaten empfohlen. Die weitere Diagnostik wird symptombezogen empfohlen mit beispielsweise Sniffin-Sticks, MRT des Bulbus olfactorius, MoCa-Test bzw. detaillierter neuropsychologischer Diagnostik und Therapie, Fragebögen zum Thema Schmerzen, cMRT, ggf. 18FDG-PET, Antikörperdiagnostik von Serum und Liquor. Auch eine Therapie sollte möglichst symptombezogen mit Physio- und Ergotherapie, neuropsychologischem Training, sozialpädagogischer Unterstützung plus ggf. IVIG, Kortikoiden oder Plasmapherese erfolgen. Dies findet bereits beispielsweise bei den Post-COVID-Checks der Berufsgenossenschaften Anwendung. 

 

Die neurologischen Symptome könnten nach ersten Studien autoimmunvermittelt sein. Auch eine mögliche Schrankenstörung wird diskutiert. 

 

Julia Augustin