SARS-CoV-2-Virusvarianten

Schon in den letzten beiden Newslettern ab haben wir kurze Updates zur Virusvariante B.1.1.7 (VOC 202012/01) gegeben. Nun wollen wir dem Thema noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit widmen.
Aktuell tauchen weltweit vermehrt Berichte über Virusvarianten auf, die mit höheren Ansteckungsraten oder potenziellem Entkommen der Immunantwort assoziiert sind.
Aktuell sind dabei vor allem drei Varianten im Gespräch, B.1.1.7, B.1.351 & P1 (aktuell scheint große Verwirrung und Uneinigkeit zu herrschen, was die Namensgebung von Varianten angeht1)

B1.1.7
B.1.1.7 (oder VOC 202012/01, vorher VUI 202012/01, auch 201/501Y.V) wurde zuerst im Rahmen der britischen Virussequenzüberwachung in Kent in Südengland beobachtet und hat sich seitdem rasant ausgebreitet. Diese Variante ist gekennzeichnet durch 17 Mutationen, davon 8 im Spike (S)-Protein, von denen wiederum mindestens 3 potenzielle biologische Relevanz haben. Die Mutation N501Y, innerhalb der Rezeptor Bindungsdomäne (RBD), führt in Experimenten zu einer erhöhten Affinität für das humane Angiotensin Converting Enzyme (ACE) 2. Eine Deletion dagegen, zeigte in in-vitro-Studien eine höhere Viruslast infizierter Zellen und kann dazu führen, dass das S-Protein in einigen diagnostischen Tests nicht mehr detektiert wird2. Des Weiteren hat eine Analyse in Public Health England gezeigt, dass 15% der Kontakte von B.1.1.7 infizierten Menschen positiv getestet werden im Gegensatz zu 10% der Kontakte von mit anderen Varianten Infizierten3. Außerdem ergab eine mathematische Modellation der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM), dass sich das aktuelle Infektionsgeschehen in Bezug auf B.1.1.7 am besten durch eine erhöhte Infektiösität (56% höher) modellieren lässt.
Eine erhöhte Rate an Hospitalisationen oder eine erhöhte Letalität ließ sich bisher nicht feststellen, allerdings geht eine Erhöhung der Infektiösität um 50% mit mehr absoluten Todesfällen einher, als eine Erhöhung der Letalität um 50%4.

B.1.351
Auch die Variante aus Südafrika trägt die oben erwähnte N501Y Mutation. Darüber hinaus trägt diese auch Mutationen, für die eine Reduktion der Potenz von konvaleszentem Plasma gezeigt wurde (in einem noch nicht peer-gereviewten Preprint) und auch hierfür hat die LSHTM eine 50% höhere Infektiosität modelliert.

P1
P1 tauchte zuerst in Manaus in Brasilien auf, bei einer Population von der geschätzt wird, dass sich schon drei Viertel der Menschen mit SARS-CoV2 angesteckt hätten. Dies gibt Hinweise darauf, dass P1 eventuell tatsächlich der Immunantwort entkommen könnte und schon erkrankte und genese Menschen erneut infizieren kann. Es wäre aber auch möglich, dass die Immunität der Menschen einfach nachlässt und sie sich daher reinfizieren können. Übrigens trägt auch P1 die Mutation N501Y.

Alle diese Varianten werden nun auch an anderen Orten der Welt nachgewiesen. So breitet sich die Variante B.1.1.7 in Europa aus, die Variante B.1.351 wurde auch schon in Deutschland nachgewiesen5 und P1 in Japan.

Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass irgendeine dieser Varianten der Impfung entkommt, aber das Auftreten dieser Varianten betont die Notwendigkeit möglichst zeitnah einen Großteil der weltweiten Bevölkerung zu impfen.

Das aktuell größere Problem wird allerdings die erhöhte Belastung der Gesundheitssysteme sein, die mit einer höheren Infektiosität des Virus einhergehen würde und diese zum kollabieren bringen könnte6.

Das Rennen hat gerade erst begonnen.

Ausbreitungskarten und Daten zu den SARS-CoV-2-Varianten:
https://cov-lineages.org/global_report.html

 

Chris Wichmann