Mehr als nur Applaus: Anerkennung für Mitarbeitende des medizinischen Sektors in Pandemie-Zeiten

Sie stehen mit an vorderster Front bei der Versorgung von COVID-Patient*innen. Tagein, tagaus sind sie Teil eines Klinikalltags fernab von einer Normalität ohne Pandemie, erleben schwere Krankheitsverläufe mit, versorgen COVID-19-Erkrankte, leisten Überstunden und ggf. riskieren dabei ihre eigene Gesundheit. Wie dankt man ihnen?

Medizinisches Fachpersonal war in Deutschland schon vor der Pandemie knapp.

Damit sind Überstunden sowie körperliche und psychische Mehrbelastung Bestandteil des Berufslebens.

Die COVID-19-Pandemie bedeutet eine zusätzliche Belastung in Form von erhöhtem Stress, Ängstlichkeit und Depressivität, wie eine Übersichtsarbeit in der Nature Public Health Collection darstellte. Eine britische Kohorten-Studie an 120 075 Arbeitenden, darunter 9% im Gesundheitswesen, kam zu dem Ergebnis,  dass das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs für medizinisches Personal in der frühen Pandemie-Phase siebenfach erhöht war.

Um diese Faktoren daher nicht nur durch Applaus von Balkonen zu würdigen, beschloss die Bundesregierung im Mai eine finanzielle Anerkennung in Form von Pflegeboni in Höhe von bis zu 1000 Euro für die Beschäftigten von Januar bis Mai 2020. Für einen Anspruch darauf wird die Zahl der mit COVID-19-Patient*innen belegten Betten geprüftl. Die Wahl der zu begünstigenden Mitarbeitenden und tatsächlich ausgezahlte Höhe der Prämie werden dabei nach dem Krankenhauszukunftsgesetz den Krankenhausträgern und der Arbeitnehmervertretung überlassen.
Kritiker*innen befürchten daher große Verteilungsunterschiede.

Und wie sieht es bei den Studierenden aus, die im Rahmen ihres Praktischen Jahres an der Versorgung von SARS-CoV2-Patient*innen beteiligt sind und damit den gleichen Risiken ausgesetzt wie anderes medizinisches Personal?

Bei der Vergütung des Praktischen Jahres gab es schon vor SARS-CoV2 große bundesweite Unterschiede (eine Liste gut bezahlter Kliniken findet ihr hier). Forderungen nach fairer bundesweiter Entlohnung wurden bisher abgelehnt.

Die COVID-19-Pandemie brachte bisherige Kritikpunkte wie die Gewährung von Krankheitstagen, Arbeitsschutz und Bezahlung erneut auf die Tagesordnung. Einige der Forderungen wie die Aussetzung der Fehltage-Regelung durch eine SARS-CoV2-Infektion fanden Gehör. Andere hingegen wie die Zahlung von einer Vergütung werden teils in demselben Bundesland nach wie vor unterschiedlich gehandhabt.

Zum Beispiel in Berlin: Bereits während der ersten Welle erkannte die Charité – Universitätsmedizin Berlin den Einsatz PJ-Studierender für drei Monate mit einer Aufwandsentschädigung an. Zur gleichen Zeit gingen PJ-Studierende an anderen Berliner Lehrkrankenhäusern trotz ihrer Forderungen bei vergleichbarer Tätigkeit leer aus.

Die COVID-19-Pandemie offenbart bereits lange bestehende Ungleichheiten und Missstände im deutschen Gesundheitssystem. Aktuell versprochene Anerkennungsmaßnahmen besonderer Leistungen werden nur teilweise umgesetzt. Ein einheitliches bundesweites Vorgehen lässt allerdings nach wie vor zu wünschen übrig.

 

Eine Übersicht zu prognostiziertem Bedarf an Pflegefachkräften in Deutschland: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-an-pflegekraeften-2025/

 

Zur Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich:

https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/Altenpflege.pdf?__blob=publicationFile&v=8

 

Unser Artikel vom November 2020 über die Tarifeinigung in der Pflege: https://covid.bvmd.de/index.php/2020/11/08/bessere-bezahlung-fuer-pflegekraefte/

 

Julia Augustin