Autoantikörper und COVID-19

Vor einiger Zeit haben wir an dieser Stelle schon einmal über Autoantikörper gegen Interferon-I und damit häufiger einhergehende schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe berichtet.

Nun hat eine Arbeitsgruppe der Universität Yale durch einen Yeast Display basierten Screen (Rapid Extracellular Antigen Profiling (REAP)) eine Vielzahl von Autoantikörpern nachweisen können, die wiederum häufiger in der Gruppe mit schweren Krankheitsverläufen vorkam.

Dabei wurden sowohl Autoantikörper gegen lösliche, als auch gegen zellgebundene Antigene gefunden, die weitreichende Immunfunktionen wie akute Phase, Leukozytenverkehr und Lymphozytenaktivierung beeinflussen. Neben Autoantikörpern gegen Interferon-I (IFN-I) wurden Autoantikörper gegen weitere Cytokine (z.B. IL-1α/β, GM-CSF), deren Rezeptoren (z.B. IL-18-R-β) und eine Vielzahl von Zelloberflächenproteinen (z.B. CD38, CD3E) gefunden.

Nachdem die Arbeitsgruppe Einflüsse dieser Autoantikörper auf die entsprechenden Antigene im Serum der Patient*innen nachgewiesen und für einige auch deren Hemmung innerhalb des immunologischen Signalweges nachgewiesen hatte, wurde der Effekt von zwei Autoantikörpern im Mausmodell (Mauslinie, die das humane Angiotensin Converting Enzyme exprimiert) getestet. Sowohl Anti-INF-I-Antikörper, als auch Anti-IL-18-Antikörper (als Surrogat für Anti-IL-18-Rezeptor-Antikörper) führten zu schwereren Krankheitsverläufen und geringeren Überlebenswahrscheinlichkeiten für die entsprechenden Mäuse.

Autoantikörper korrelieren mit schweren COVID-19-Krankheitsverläufen, wobei Autoantikörper sowohl schon vorbestehen, als auch während der Erkrankung entwickelt werden können. Sie könnten dabei eine mögliche Erklärung für die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe, aber auch für eventuell fortbestehende Symptome sein (Stichwort Long COVID). Eine einheitliche Signatur von Autoantigenen ließ sich hier nicht zeigen. Die Autoimmunreaktion scheint in der Auswahl von Autoantigenen sehr individuell zu sein, sodass diese eher schwierig diagnostisch oder prognostisch zu nutzen ist.
Infektiologisch interessant ist natürlich, inwiefern dieses vermehrte Auftreten von Autoantikörpern ein SARS-CoV-2-Spezifikum ist oder inwieweit es auch auf andere (Virus-) Infektionen zutrifft.

(Quelle: https://doi.org/10.1101/2020.12.10.20247205, diese Artikel wurde vorab auf medRxiv veröffentlicht und ist noch nicht peer-reviewed worden)

 

Chris Wichmann