Dein Handy und das Virus – Nutzung mobiler Daten zur Pandemie-Modellierung

Seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie wird viel über mögliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und deren Nutzen gesprochen.

Die Grundlage für diese Diskussionen sind im besten Falle Daten. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit über sogenanntes “Contact Tracing” und Fallanalysen reale Daten zu sammeln oder Ausbrüche, bzw. den Pandemieverlauf mathematisch zu modellieren. Beides hat entsprechende Limitationen. Das Sammeln von Daten durch Contact Tracing und Fallanalysen ist zeitintensiv und die Datenmenge häufig vergleichsweise gering, während mathematische Modelle ohne reale Daten zur Einschätzung der Effektivität von Maßnahmen der Pandemieeingrenzung auf Annahmen angewiesen sind1.

Eine mögliche Verbindung dieser beiden Ansätze ist die Nutzung von mobilen Daten kombiniert mit mathematischen Modellen.

Chang, Pierson und Koh haben durch diesen Ansatz die Daten von 98 Millionen Menschen in Metropolregionen in den USA analysieren können. Durch das Zusammenfassen dieser Menschen in Census Block Groups (CBG, geographische Einheiten von 600-3000 Individuen) und die Analyse der Frequenz von Besuchen zu Points Of Interest (POI) konnten die Forschenden das Ausbruchsgeschehen mit nur drei skalierenden Parametern (Transmissionsraten in POIs, Transmissionsrate in CBGs und initialer Anteil der exponierten Individuen) vorhersagen. Darüber hinaus gelang es auch, POIs zu identifizieren, die besonders zum Infektionsgeschehen beitragen und die Forschenden konnten berechnen, dass die Begrenzung der maximal Kapazität eines POIs das Infektionsgeschehen besser begrenzt bei höheren Besucher*innenzahlen (und damit geringerer ökonomischer Belastung).

Interessanterweise ließ sich, bei Hinzunahme von Zensusdaten (ethnische Zusammensetzung der CBGs und Medianeinkommen), allein durch die Unterschiede in den Mobilitätsdaten die größere Auswirkung der Pandemie auf benachteiligte Gruppen modellieren, da diese ihre Mobilität weniger reduzieren konnten und die besuchten POIs eine höhere Infektionsrate aufwiesen.

Diese Kombination aus Echtzeit-Mobilitätsdaten mit mathematischen Modellen kann eine Entscheidungsgrundlage für Politiker*innen sein und sogar der Heterogenität der Virusübertragung (sowohl im Sinne der Superspreader Events, als auch im Sinne besonders betroffenener Bevölkerungsgruppen) Rechnung tragen2.

 

               

Der ganze Artikel:

Mobility network models of COVID-19 explain inequities and inform reopening

 

Wer keine Zeit hat für den Original-Artikel, hier der Artikel zum Artikel:

Big data and simple models used to track the spread of COVID-19 in cities

 

Ein weiterer Artikel, der mobile Daten nutzt um einen Social Distancing Index (im Sinne des Physical Distancing) berechnet:

Quantifying human mobility behaviour changes during the COVID-19 outbreak in the United States

 

Chris Wichmann