Niemand wird geschützt sein, bevor nicht alle geschützt sind.

Die Impfstoffkandidaten sind noch nicht einmal zugelassen, dabei sind Fragen der Verteilung eines eventuellen Impfstoffes politisch schon längst Verhandlungsthemen.

Das Prinzip ist Folgendes: Die Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen werden durch finanzielle Hilfen an die Unternehmen beschleunigt. Diese bereitgestellten Mittel kann man als Anzahlung für die finalen Impfstoffe betrachten. Das bedeutet, dass die Geldgeber garantieren, im Falle eines Forschungserfolgs ein bestimmtes Kontingent an Impfdosen zu erwerben, das im Vorhinein für sie reserviert wird. Das nennt sich Abnahmegarantie.

Wie investiert die EU? Wie die Zeit berichtet, ist die EU dabei in zwei Verfahren involviert.

Erstens entwickelte die EU-Kommission eine europäische Impfstrategie:

Die Abnahmegarantien sind das Fundament der Strategie (Quelle). Bisher wurden von der Komission 5 Verträge über insgesamt 1,2 Milliarden Dosen potenzieller Impfstoffe abgeschlossen, unter anderen mit BioNTech-Pfizer über 200 Millionen Impfdosen (mit der Option auf weitere 100 Millionen Dosen). Dann werden die vorab vereinbarten Dosen abhängig von der Bevölkerungsgröße auf alle Mitgliedsstaaten der EU verteilt. Deutschland hätte Anrecht auf maximal jede fünfte Impfdosis.

Aber ganz so harmonisch scheint das Ganze doch nicht. Jens Spahn verkündete bereits, dass BioNTech-Pfizer 100 Millionen Dosen für Deutschland bereitstellen wird. Denn Deutschland habe sich zusätzlich Zusagen durch gezahlte Forschungsförderung in Höhe von 375 Millionen Euro gesichert. „Ich könnte es den deutschen Bürgern schwer erklären, wenn durch deutsche und europäische Förderung das Impfen in anderen Teilen der Welt beginnt, aber wir für Deutschland selbst nichts gesichert hätten“, erklärte Spahn diesen “Impfnationalismus”.

Zweitens engagiert sich die EU um auf globalem Niveau die Verteilung der Impfdosen sicherzustellen. Ein globaler Ansatz ist unabdingbar, um möglichst viele Menschenleben zu retten: Nach einem Szenario der Northeastern University gäbe es doppelt so viele Tote, wenn die 50 reichsten Staaten die Impfdosen monopolisieren, als wenn diese global gerecht verteilt würden.

Die WHO und einige Gesundheitsorganisationen richteten am 24. April eine weltweite Zusammenarbeit namens ACT-Accelerator ein, der die Verbesserung der Gesundheitssysteme und Beschleunigung der Impfstoffentwicklung zum Ziel hat. Die EU folgte deren Handlungsaufruf mit einem im Rahmen der weltweiten Corona-Krisenreaktion angestoßenen Spendengipfel. Damit mobilisierte die EU 15,9 Milliarden Euro.

COVAX“ heißt die Impfstoff-Säule vom ACT-Accelerator, welche das Prinzip der Abnahmegarantien anwendet. COVAX unterstützt verschiedene Impfstoffkandidaten und mindert für investierende Staaten das Risiko, falls ein Kandidat doch keinen Erfolg haben sollte. 184 Länder beteiligen sich daran, darunter 92 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die so Zugang zu COVID-19-Impfstoffen erhalten sollen. Auch die EU nimmt daran teil und stellt 500 Mio. Euro bereit. Im Falle des Erfolgs eines Impfstoffs würden die Dosen ideal verteilt werden. Ziel ist, bis Ende 2021 2 Milliarden Dosen durch Verträge zu sichern, die ausreichen, um 20% der Bevölkerung jeden Landes zu impfen.

Eine großartige Idee, nur: „Wenn ein Verteilungsmechanismus wie COVAX nichts zu verteilen hat, weil der Großteil der Kontingente bereits reserviert ist, wird er nicht funktionieren.“ bringt Elisabeth Massute , politische Referentin in der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin das Problem auf den Punkt. Bereits am 01. Oktober 2020 hatten sich Staaten mit 13 Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte der zukünftig verfügbaren Impfdosen gesichert. Blanker Egoismus der EU? Der medizinpolitische Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Dr. Peter Liese, rechtfertigt: „Die Verträge, die die Mitgliedstaaten und die Kommission jetzt abschließen, richten sich in erster Linie gegen die USA. Da gab es ja ganz wüste Ankündigungen, dass man zum Beispiel erst nur die USA versorgt. Deshalb habe man in der EU darauf geachtet, dass die Impfdosen nicht exklusiv für Europa seien. “

Es bleibt nur zu hoffen, dass nationale Alleingänge und das doppelte Spiel der EU die COVAX-Fazilität nicht schon im Keim ersticken werden. Denn eigentlich ist es nicht nur EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides klar: „Nur gemeinsam können wir COVID-19 überwinden.“

Covax erklärt: https://www.who.int/docs/default-source/act/covax-facility-background.pdf?sfvrsn=810d3c22_2&download=true

Ein Statement zum europäischen Vorgehen von Ursula von der Leyen: https://audiovisual.ec.europa.eu/en/video/I-192197

Die UAEM-Kampagne sucht Lösungen für dieses und weitere Probleme, die die Impfung betreffen: https://freethevaccine.org/

“Wer zuerst? – Diskussion zur Impfstoffverteilung vom Deutschen Ethikrat https://www.ethikrat.org/forum-bioethik/wer-zuerst-verteilung-von-impfstoffen-gegen-sars-cov-2/#c3570

 

Helena Salamun