Es wurde bereits seit längerem angenommen, dass eine Kreuzimmunität zwischen saisonal verbreiteten menschlichen Coronaviren (HCoVs) einen wirksamen, aber vorübergehenden Schutz gegen verschiedene weitere HCoVs bieten könnte. Wissenschaftler*innen aus London haben tatsächlich SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein (S)-reaktive Antikörper bei SARS-CoV-2-uninfizierten Personen nachgewiesen. Sie gehörten vorwiegend der IgG-Klasse an und zielten auf die S2-Untereinheit ab. Personen mit einer vorangegangenen SARS-CoV-2 Infektion weisen zwar einen noch höheren IgG-Antikörper-Titer und zusätzlich begleitend noch IgM- und IgA-Antikörpern auf, welche neben der S2-Untereinheit auch auf die S1-Untereinheit abzielen.Jedoch war durchaus bemerkenswert, dass Seren von uninfizierten Spender*innen eine spezifische neutralisierende Aktivität gegen SARS-CoV-2 und SARS-CoV-2 S Pseudotypen (Lentiviren, die SARS-CoV-2 S pseudotypisiert wurden) zeigten. Aus dieser Erkenntnis entstehen zwei entscheidende Folgerungen. Zum einen muss diese durch präexistente Antikörper hervorgerufene Immunität vollständig abgegrenzt werden, um den natürlichen Krankheistverlauf von SARS-CoV-2 und dessen diverse Ausprägung unter dem Einfluss möglicher vorherbestehender Antikörper besser zu verstehen, und zum anderen, könnte die Identifizierung konservierter Epitope in der S2-Untereinheit, auf die die präexistenten Antikörper abzielen, großen Fortschritt in der Entwicklung eines universellen Corona-Impfstoffs bringen, die gegen mehrere gegenwärtige und potenzielle zukünftige Coronavius-Arten schützen könnten.
Ob es soweit kommt oder nicht, die Unterscheidung zwischen präexistierender und de-novo-Immunität wird für unser Verständnis der Anfälligkeit für SARS-CoV-2 und des natürlichen Verlaufs der SARS-CoV-2-Infektion von entscheidender Bedeutung sein.
Lena Weber