Bessere Bezahlung für Pflegekräfte?

Lob von Seiten der Politik, Applaus von Balkonen – die COVID-19-Pandemie richtet das Scheinwerferlicht auf die seit Jahren bestehenden Probleme der Pflegekräfte. In einer Umfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Scharfenberg waren wichtige Faktoren der Unzufriedenheit unter anderem Zeit- und Personalmangel. Viele der Beschäftigten würden sich wegen einer als nicht leistungsgerecht empfundenen Bezahlung nicht wieder für den Beruf entscheiden.

Aber ändert sich nun tatsächlich etwas für die im Rampenlicht stehenden Pflegefachkräfte? Der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sorgte am 25.10.2020 für Schlagzeilen. Die Löhne werden bis zum Ende der Vereinbarung Ende 2022 um 3,2 bis 4,5 Prozent steigen. Besonders in der Pflege gibt es mehr Gehalt: Pflegekräfte bekommen 8,7 Prozent mehr Lohn, Intensivpflegekräfte sogar 10 Prozent, außerdem wird es eine Wechselschichtzulage geben. Für alle ist eine COVID-19-Prämie von bis zu 600 Euro vorgesehen.

ver.di-Vorsitzender Frank Werneke findet, das sei ein unter den derzeitigen Bedingungen respektabler Abschluss. Der Deutschlandfunk fragt sich angesichts der knappen Mittel während der Pandemie, ob diese Einigung zeitgemäß ist. Denn der Vertrag kostet die Städte und Gemeinden circa 4,9 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden Euro zahlt der Bund zusätzlich.

Aber Vorsicht: Lediglich ein kleiner Teil der in der Pflege arbeitenden Menschen wird vom Ergebnis der Verhandlungen profitieren. Nur ca. ein Drittel der Pflegekräfte wären von der Tarifeinigung betroffen, sagt der Sozialwissenschaftler Stefan Sell. Wieso ist das so?

Die in Deutschland geltende Tarifautonomie sieht vor, dass Gehaltsverhandlungen unabhängig von der Politik zwischen Arbeitnehmer*innen oder deren Vertreter*innen und Arbeitgeber*innen geführt werden. Der wie in diesem Fall ausgehandelte Tarifvertrag, also die Tarifbindung, gilt nur für die Arbeitgeber*innen, die mitverhandelt haben, und deren Angestellte. Die Tarifbindung in der Pflege und vor allem Altenpflege ist mit nur 20% gering. Das liegt an der großen Zahl unterschiedlicher Arbeitgeber*innen: neben kommunalen und freigemeinnützigen Trägern auch privatwirtschaftlich organisierte.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil erklärte im Bundestag im September 2019: „Wo ein Tarifvertrag ist, sind in der Regel die Arbeits- und Lohnbedingungen besser als in Bereichen, in denen es keinen Tarifvertrag gibt.“ Der Unterschied zwischen tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Löhnen liegt in der Pflege bei 19%. Heil zufolge wäre der beste Weg ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag, für deren Zustandekommen der gesetzliche Rahmen bereits vereinfacht wurde.

Insgesamt ist der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zwar ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung von Pflegeberufen, ändert aber für die Mehrheit der Beschäftigten primär nichts. Vor allem ist eine bessere Bezahlung nur einer von vielen Faktoren, die diese Berufsbranche attraktiver machen müssen, um dem Personalmangel entgegenzuwirken. Dies wird angesichts des demografischen Wandels immer dringlicher.

Weiterlesen: Krautreporter erklärt, was sich für die Pflegebranche ändern muss. Der Deutschlandfunk nimmt ausführlich auseinander, wieso die Lohnverhandlungen in der Pflege so kompliziert sind.

 

Helena Salamun