Krisen in Krisengebieten – COVID-19 im Jemen und in Syrien

Es ist ruhig um die Länder, die vor COVID-19 kontinuierlich die globalen Nachrichten beherrscht haben – zu ruhig. Wir wissen, dass geringere Fallzahlen in ärmeren Ländern oft auf mangelnde Testkapazitäten zurückzuführen sind und einen milderen Verlauf der Pandemie nur vortäuschen. Denn die Pandemie ist auch in den Kriegsgebieten angekommen – hier ein kleiner Überblick über die Situation im Jemen und in Syrien:

 Im Jemen herrscht seit 2004 Bürgerkrieg. Es kämpft die Huthi-Miliz gegen eine von Saudi-Arabien geführte Koalition, welche 2015 in das Land einmarschiert ist und maßgeblich zur Spaltung des Landes beigetragen hat. Nicht nur das Land ist geteilt, auch sämtlich Ministerien inklusive dem Gesundheitsministerium, was eine systematische Antwort auf die Pandemie unmöglich macht. Einen Lockdown hat es im Jemen nicht gegeben, getestet wird kaum, Ärzt*innen (wenn vorhanden) werden nicht von der Regierung, sondern von der WHO bezahlt und kritische Stimmen leben gefährlich. Das macht eine verlässliche Einschätzung der Situation extrem schwer. Doch Berichte in sozialen Medien über Grabausheber*innen, welche Überstunden machen müssen, lassen vermuten, dass auch hier SARS-CoV-2 auf dem Vormarsch ist.

Neben COVID-19 kämpft das Land aber auch noch gegen Cholera und Dengue-Fieber. In Ländern, in denen Regierungsmaßnahmen strukturell unmöglich durchsetzbar sind, liegt die Last, Selbstisolierung, Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln zu promoten, bei den Zivilist*innen. Doch selbst diese Maßnahmen sind im Jemen, einst ein reiches und blühendes Land, kaum durchführbar, da selbst die Wasserversorgung eingeschränkt ist.

Internationale Unterstützung: die WHO liefert hunderte Beatmungsmaschinen und Test-Sets, saudi-arabische Geldgeber haben 1,4 Milliarden USD an Unterstützung gesammelt (Saudi-Arabien investiert und bombardiert im Jemen gleichzeitig) und das World Food Programm musste seine Rationen für den von den Huthis besetzten Norden halbieren. Die USA hat erst kürzlich die 73 Millionen USD humanitäre Unterstützung gekappt (weil diese wohl großteils der Miliz zu Gute kam).

https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2020/06/04/covid-19-quietly-sweeps-across-yemen

In Syrien wurde im März ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Türkei ausgehandelt. Dieser wurde bereits letzte Woche wieder verletzt, als Russland vermutlich einen Luftangriff auf die letzte von Rebellen besetzte Enklave in Idlib geflogen ist. In den syrischen Schlagzeilen geht es aber zurzeit nicht nur um COVID-19, sondern vor allem um Proteste in vom Regime kontrollierten Gebieten, gegen Baschar al-Assad aufgrund der wirtschaftlichen Notlage, steigenden Inflation und dadurch verursachten Hunger und Armut der Bevölkerung. Berichterstattung über die COVID-19 Lage in Syrien ist mager, aktuell zählt man laut der JHU 187 bestätigte Fälle in dem 16 Millionen Einwohner Land. Auch in Syrien gab es einen Lockdown, der aber aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage längst wieder gelockert wurde. Die Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Kriegspolitik.

Ein belgisch-deutscher Resolutionsentwurf soll durch Öffnung von Grenzen zwischen Syrien und der/m Türkei/Irak, welche teils seit Januar auf russische Initiative geschlossen sind, humanitäre Hilfe erleichtern. Der UN-Sicherheitsrat muss diese Resolution aber erst diskutieren – außerdem sitzt in diesem ja auch Russland mit Vetorecht.

 

Weiterlesen Jemen: https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2020/06/04/covid-19-quietly-sweeps-across-yemen

Weiterlesen Syrien: https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-in-syrien-die-naechste-katastrophe-a-c46e8d15-6959-4ab9-a430-141a5ab1ebf4