COVID-19 und Wetten: „Perfekter Nährboden“ für Spielsucht

Für den Großteil der Bevölkerung hat sich der Alltag zur COVID-19-Zeit während der vergangenen Wochen und Monaten grundlegend geändert: Homeoffice, Kurzarbeit oder Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden bringen einige Herausforderungen sowie Risiken mit sich. Unser Konsumverhalten wurde auf die Probe gestellt und die Arbeit als wichtiges, strukturierendes Element ist teilweise weggefallen. Die von der Regierung verfügten Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise waren für Menschen mit einer Suchtproblematik besonders herausfordernd.

Sportwetten

Solange es Sport gibt, hat es auch Wetten auf den Ausgang von Sportwettbewerben gegeben. Aber was passiert, wenn  – wie jetzt – kein Sport stattfindet, auf den man wetten könnte? Für die Buchmacher*innen und Glücksspielunternehmen ist die Antwort einfach: Sie bieten ihren Kund*innen neben virtuellen Spielautomaten, Online-Bingo, -Poker und -Casinospielen auch virtuelle Sportarten an. Die computeranimierten Wettbewerbe sind zwar nicht real, die damit verbundenen Probleme aber umso mehr. Für die Wettanbieter bedeutet das einen finanziellen Ausgleich, für diejenigen jedoch, die mit Spielsucht zu kämpfen haben und ihren Drang zum Glücksspiel nur schwer kontrollieren können, kann die aktuelle Entwicklung verheerend sein.

Online-Casinos & Werbung

Einige Regierungen stimmen mit der Einschätzung der gegenwärtigen Gefahren überein. Die belgischen Wettbehörden haben vor kurzem ein Einzahlungslimit von 500 Euro pro Woche angekündigt. Die spanische Regierung hat die Werbung für Glücksspiele auf ein Vier-Stunden-Fenster zwischen 1 und 5 Uhr morgens beschränkt, und Lettland hat die Online-Glücksspiele verboten.

Allerdings sind das Ausnahmen: Die meisten Länder haben, wenn überhaupt, nur minimale Maßnahmen ergriffen. Der Übergang zu virtuellen, geschicklichkeitsbasierten Spielen wie Poker und Backgammon, sowie andere online Casinospielen ist als Folge schnell und nahezu universell erfolgt.

Eine kürzlich durchgeführte Studie der britischen Glücksspielkommission ergab, dass 1,2% der Menschen, die Glücksspielen nachgehen, eine Sucht entwickelt haben. Bei  Online-Sportwetten steigt diese Zahl auf 2,5%. Bei Online-Spielen wie Roulette, Spielautomaten und virtuellen Sportarten, sind es sogar 9,2%.

Das zurzeit stark eingeschränkte Offline-Angebot wird von Online-Casinos ausgenutzt. Dabei sind diese in Deutschland – mit Ausnahme von Schleswig-Holstein – illegal. Dennoch werben viele EU-basierte Online-Casinos mit deutschsprachigen Homepages aktuell teilweise mit direktem Bezug auf die COVID-19-Krise: „Stay Safe – Bet at Home„, oder „Wir bei Evobet wissen, dass diese Situation für Sie einsam ist. Aber Du bist nicht allein! Wir stecken da zusammen drin!“ Das Team sorge trotz Corona für ein „ununterbrochenes Spielerlebnis“.

Glücksspielstaatsvertrag 2021

Im Sommer 2021 tritt ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft, der teilweise für kontroverse Diskussionen sorgt. Damit soll der Wildwuchs beendet und die bislang illegalen Angebote in legale überführt werden. Jedem Bundesland ist es dann erlaubt, entsprechende Lizenzen zu vergeben, denn Glücksspiel bleibt Aufgabe der Länder. Bis es soweit ist, bleibt das Online-Glücksspiel in 15 von 16 Bundesländern jedoch verboten.

Drogenbeauftragte fordert offene Suchthilfeeinrichtungen

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), ist auch für den Bereich Spielsucht zuständig. Sie teilt mit: „Bisher nie dagewesene Einschnitte im Alltag, Berufs- und Sozialleben machen viele Bürgerinnen und Bürger einsamer als sonst. Innerer Rückzug und Abtauchen ins Internet können die Folge sein.“

Online-Glücksspiele sind dabei eine von vielen Suchtformen, die jetzt unbedingt im Auge behalten werden müssten. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, dass Suchthilfeeinrichtungen ihre Türen weiter offen halten.

 

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