Auf ein Neues: Hydroxy-/Chloroquin – randomisierte Studienergebnisse

Das Zulassungsverfahren eines Medikaments lässt sich am Beispiel Hydroxy-/Chloroquin für die Behandlung von COVID-19 Patient*innen sehr gut mitverfolgen. Bisher waren hauptsächlich Expert*innen*innenmeinungen und retrospektive Studien (beides Studienverfahren mit niedriger Evidenz) als Anhaltspunkte verfügbar, trotzdem wurde das Medikament, wohl nicht zuletzt aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit, weitverbreitet eingesetzt.

Nun wurden Zwischenergebnisse einer randomisiert kontrollierten Studie im Rahmen des RECOVERY-Trials veröffentlicht, welche zeigen, dass Hydroxy-/Chloroquin mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Benefit für COVID-19 Patient*innen bringt. Es gibt aber auch keinen Hinweis darauf, dass das Medikament die Mortalität erhöht.

Die wichtigsten Punkte der Studie:

  • primärer Endpunkt der Studie: 28-Tages-Mortalität
    sekundäre Endpunkte: Länge des Krankenhausaufenthalts, Beatmungspflichtigkeit, Indikation für ein Nierenersatzverfahren
  • Hydroxy-/Chloroquin: 1542 Patient*innen
    Kontrollgruppe: 3132 Patient*innen
    Die Kontrollgruppe erthielt eine konservative Therapie (= standardmäßige intensivmedizinische Betreuung ohne ein COVID-19 spezifisches Medikament).
  • Verblindet waren das Team an Forscher*innen, Statistiker*innen, die klinischen Teams und die Lenkungsgruppe. Die Statistiker*innen des Datenmonitoring-Komitees, welches die berechneten Daten regelmäßig ausgewertet hat, war natürlich unverblindet.
  • Ergebnis: kein statistisch signifikanter Vorteil für Patient*innen, die mit Hydroxy-/Chloroquin (gilt sowohl für primäre als auch sekundäre Endpunkte)

28-Tages-Mortalität Hydroxy-/Chloroquin: 25,7%

28-Tages-Mortalität konservative Therapie: 23,5%

Hazard Ratio 1.11 [95% Konfidenzintervall 0.98-1.26]; p=0.10

 Zur Wiederholung: Eine Hazard Ratio von 1 bedeutet, dass es keinen Unterschied zwischen zwei Gruppen gibt. Um einen Unterschied nachzuweisen, muss die Hazard Ratio daher entweder größer oder kleiner als 1 sein.

Das Konfidenzintervall gibt an, wie wahrscheinlich eine Wiederholung der Studie ein ähnliches Ergebnis liefern würde. Schließt dieses Intervall rund um die Hazard Ratio den Wert 1,0 mit ein, kann kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachgewiesen werden. Dies ergibt sich daraus, dass beispielsweise nach Berechnung einer Hazard Ratio größer 1 definitionsgemäß bei Wiederholung der Studie ein Wert kleiner 1 (und damit ein entgegengesetztes Ergebnis) herauskommen könnte.

Im Gegensatz zum Konfidenzintervall, welches auch die Qualität des Unterschieds angibt, sagt der p-Wert nur, ob es einen Unterschied gibt. Da der p-Wert in dieser Studie >0,05 schließt auch der p-Wert einen Unterschied zwischen den Gruppen aus.

Von den Studienautor*innen wird nun die klare Empfehlung ausgesprochen auf eine Behandlung mit Hydroxy-/Chloroquin zu verzichten.

Übrigens: wer sich für klinische Studien interessiert, dem/der sei empfohlen, sich die Webseite des RECOVERY-Trials genauer anzusehen. Aufgrund der medialen Aufmerksamkeit des Themas und der noch überschaubaren Masse an Daten, bietet das Trial ein gutes Beispiel, sich einen Überblick über Konzeptionsstrategien und Datenauswertung klinischer Studien zu verschaffen.

Hier geht’s zum RECOVERY-Trial

Hier geht’s zum Plan der Statistischen Analyse

Hier geht’s zu etwas Statistik-Nachhilfe

 

Weiterlesen: https://www.recoverytrial.net/files/hcq-recovery-statement-050620-final-002.pdf

 

Unsere bisherigen Artikel zu Hydroxy-/Chloroquin findet ihr hier und hier.