Wenn das Herz schneller schlägt – Hydroxy/Chloroquin

Wie ihr in unserer letzten Ausgabe nachlesen könnt, ist COVID-19 keine reine Lungenerkrankung. Es wurde über Schäden an den Gefäßen berichtet und auch das Herz rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Behandlung. Besonders Patient*innen, welche mit den Wirkstoffen Chloroquin und Hydroxychloroquin behandelt wurden, müssen mit einem Anstieg von kardialen Arrhythmien rechnen, wie eine kürzlich im Lancet veröffentlichte Studie zeigt. Diese zeigt auch, dass eine Behandlung mit diesen Wirkstoffen die Überlebenswahrscheinlichkeit senkt. Wenn man bedenkt, dass laut einer Studie im Brigham and Women’s Hospital in Boston jede*r 6. Patient*in mit diesem Medikamenten behandelt wurde, bekommt man ein Gefühl dafür, was die verfrühte Zulassung von nicht ausreichend untersuchten Arzneimitteln für Auswirkungen haben kann.

Wie kann es durch Hydroxy-/Chloroquin nun zu Herzrhythmusstörungen kommen? Wie auch viele andere Medikamente (zum Beispiel eine große Anzahl von Neuroleptika and Antiarrhythmika) verlängert Hydroxy-/Chloroquin die cQT (frequenzkorrigierte QT-Zeit) im EKG. Eine verlängerte Repolarisation erhöht die sensible Phase der elektrophysiologischen Herzaktion, in der ein einfallender Reiz eine tachykarde Rhythmusstörung auslösen kann. Hinzu kommt, dass bei COVID-19-Risikopatient*innen oft eine Herzschwäche bekannt ist. Auch ohne Risikofaktoren ist eine regelmäßige EKG-Kontrolle bei Behandlung mit Hydroxy-/Chloroquin indiziert. Ob diesem Risiko in der Praxis ausreichend Bedeutung geschenkt wurde ist fraglich, denn in der erwähnten Studie wurden Patient*innen trotz kardialer Vorschädigung mit dem Medikament behandelt.

Das Zusammenspiel dieser Pathophysiologien könnte für die erhöhte Sterblichkeit verantwortlich sein. Ganz genau können wir das leider bisher nicht wissen, da retrospektive Studien keine definitive Aussage über eine Kausalität zulassen. So könnte es theoretisch auch sein, dass Hydroxy/Chloroquin bevorzugt bei Patient*innen mit schlechteren Überlebenschancen eingesetzt wurde.

Die WHO reagiert auf die Studie und setzt klinische Tests mit Hydroxy-/Chloroquin im Rahmen der Solidarity-Trial (wir haben berichtet) ab. Konträr reagiert die brasilianische Regierung – sie steht weiterhin hinter dem Medikament.

Hier geht’s zur Studie im Lancet

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31180-6/fulltext?utm_source=Global+Health+NOW+Main+List&utm_campaign=53b18449d6-EMAIL_CAMPAIGN_2020_05_22_02_47&utm_medium=email&utm_term=0_8d0d062dbd-53b18449d6-2955601

Weiterlesen – Hydroxy/Chloroquin

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113133/Chloroquin-Hydroxychloroquin-mit-Herzrhythmusstoerungen-und-erhoehter-Mortalitaet-verbunden?rt=6a1a74dfe827647f851ae46305bad588

Weiterlesen – WHO/Brasilien

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113172/WHO-setzt-klinische-Tests-mit-Hydroxychloroquin-wegen-Sicherheitsbedenken-aus?rt=6a1a74dfe827647f851ae46305bad588