Nach R kommt K – Die Geschichte der Superspreader

Seit SARS-CoV-2 spricht die ganze Welt von einem Buchstaben: von R. Die Reproduktionszahl R beschreibt, wie viele Menschen sich durchschnittlich an einer bereits infizierten Person anstecken (mehr dazu). Doch nun wird in den Medien zunehmend von einem neuen Buchstaben berichtet: K.

Eine Frau in Südkorea besucht regelmäßig den Gottesdienst. Anfang Februar tat sie dies trotz leichten Halsschmerzen und ein weiteres mal trotz Fieber. Es nahmen weitere 1000 Personen an diesen zwei Gottesdiensten teil. Dem KCDC (Korean Center for Disease Control & Prevention) zufolge konnte man am 07.03. 63,5% von 6767 SARS-CoV-2 Fälle in Südkorea auf diese zwei Gottesdienste zurückführen, auf Patient No. 31.

Oft wurde an der Reproduktionszahl kritisiert, dass eine Reproduktionszahl von R = 1 nicht heißt, dass jede*r Patient*in, der/die SARS-CoV-2 hat, zwingend eine weitere Person ansteckt. In der Tat kann es sein, dass bei R = 1 von zehn Infizierten, fünf niemanden aber die anderen fünf gleich zwei Personen anstecken. Oder, dass neun von zehn niemanden anstecken, dafür die zehnte Person aber gleich zehn Weitere. Diese Abweichungen nennt man Streuung und diese Streuung oder Disperson kürzt man mit K ab. Ist K groß, steckt jede*r Infizierte gleich viele Menschen an. Je kleiner jedoch K ist, desto mehr Menschen stecken sich an einzelnen Individuen an. Ein solch gehäuftes Infektionsereignis, wie auch beispielhaft bei Patient No. 31, nennt man Cluster. 

Bei anderen Coronaviren, MERS und SARS-CoV-1 gab es eine solche Überdispersion (kleines k) bereits, nun wird trotz anfänglich gegenteiligen Studien vermutet, diese ebenfalls bei SARS-CoV-2 zu erkennen. Eine israelische Pre-Print Studie vermutet sogar, dass 1-10% der infizierten Individuen für 80% der Infektionen verantwortlich sind.

Aktuell ist noch unklar, was Menschen zu sogenannten “Superspreadern” macht und wie man diese erkennt. Gwenan Knight von der LSHTM denkt, dass lautes Sprechen und Singen Risikofaktoren sein könnten. Dies würde erklären, wieso Hochzeiten, Clubs und Gottesdienste für gehäufte Meldungen gesorgt haben.

Japan verfolgt seit längerem eine andere Strategie als der Großteil der Welt. Dort wird spezifisch nach Clustern, also Superspreading Ereignissen, gesucht und alle Kontaktpersonen ohne Testung als infiziert kategorisiert und in Quarantäne geschickt. Aktuell zeigt sich diese Strategie als sehr erfolgreich. Japan hat ohne große Lockdown Maßnahmen nur ein Zehntel der Infizierten und Toten Deutschlands. 

Doch was heißt diese vermeintliche Überdispersion für uns? Müssen wir in Deutschland weiterhin auf Kontaktverbote setzen oder in Zukunft wie in Japan ganze Cluster isolieren? Fest steht, dass ein offenes Auge auf andere Länder, ein offenes Ohr für neue wissenschaftliche Erkenntnisse und eine dynamische Strategie essentiell für die Bekämpfung dieser Pandemie sind.

 

Weiterlesen:

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-05/coronavirus-ansteckung-covid-19-patienten-schutzmassnahmen-infektionsherde

https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript202.pdf