Hotspot Fleischindustrie

Kurz nachdem Bund und Länder sich auf die Obergrenze von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner geeinigt hatten, wurde dies in NRW im Kreis Coesfeld bereits überschritten. Im Schlachthof Westfleisch wurden 230 SARS-CoV-2 positive Menschen getestet (Stand: 10.05.2020). Daraus entstand eine Debatte über die Fleischindustrie, die weit über COVID-19 hinausgeht. Der wahre Inhalt: Arbeitsbedingungen, faire Preise und Arbeitsmigration.

In Upton Sinclairs “Der Dschungel” von 1906 geht es um die Industrialisierung und die Fleischindustrie. Sinclair beschreibt in seinem Roman die desaströsen Arbeitsbedingungen, in dem wie er ihn nennt “Dschungel”. Die Protagonist*innen des Romans sind europäische Einwanderer, die sich in den USA eine Zukunft aufbauen wollen. Heute, über 100 Jahre später sind unsere Protagonist*innen Osteuropäische Gastarbeiter

Schon vor SARS-CoV-2 waren die mangelhaften Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie bekannt. Unsere heutigen Protagonist*innen, osteuropäische Arbeitnehmer*innen werden teilweise über Subunternehmen angestellt und zahlen ihren Arbeitgebern Miete für Sammelunterkünfte, ohne genug Sicherheitsabstand zu ihren Arbeitskolleg*innen einhalten zu können, Lohnabzüge für Arbeitsmaterialien oder “mangelnde” Arbeitsleistung und, wie im Beispiel Westfleisch, mit ihrer Gesundheit. 

Karl-Josef Laumann, Minister des Landes NRW für Arbeit, Gesundheit und Soziales hatte bereits in einem Bericht im Januar auf “schwer nachvollziehbare Firmenstrukturen” aufmerksam gemacht. Nun meldet sich auch die Gewerkschaft NGG (Nahrung Genuss Gaststätten) und fordert strengere gesetzliche Vorgaben für die Fleischindustrie. In einem Brief an die Länder, bittet Arbeitsminister Heil “den Arbeitsschutz für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft und in der Fleischindustrie streng zu kontrollieren”.

Auch in den USA wird ein vermehrtes Aufkommen von SARS-CoV-2 in der Fleischindustrie beschrieben. US-Präsident Donald Trump hat die Fleisch Industrie per Dekret als systemrelevant eingeordnet und die Schließung der Corona Hotspots umgangen. 

Von gesundheitlichen bis zu ökologischen Auswirkungen, die negativen Folgen von Fleisch sind in der Literatur mannigfaltig beschrieben. Nun zeigt uns SARS-CoV-2 auf brutale Weise altbekannte Schwachstellen unseres Systems und lässt uns den status quo erneut hinterfragen.

 

Weiterlesen: 

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/fleisch-mitarbeiter-infiziert-101.html

https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2016/01/fleischindustrie-fleisch-fleischkonsum-schlachtung-schlachtbetrieb