Über die Kommunikation zur Kritik am Umgang mit der COVID-19-Krise

War der Lockdown nötig? Haben wir überreagiert? Waren die Einschränkung der persönlichen Freiheiten zu weit gegriffen? Fragen, die sich viele stellen und die von Kritiker*innen des Umgangs mit dem Krisenmanagement heftig diskutiert werden. Einer dieser Kritker ist Prof. Sucharit Bhakdi, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologe im Ruhestand, der große mediale Aufmerksamkeit in der vergangenen Tagen erfahren hat. Nach eigenen Aussagen war sein Schritt in die Öffentlichkeit im Sinne der konstruktiven Kritik. Unsere Demokratie lebt von der freien Meinungsäußerung und der Fortschritt lebt von der Diskussion. Allerdings ist auch der/die Kritiker*in nicht befreit von der Verantwortung, die ein medialer Auftritt mit sich bringt und muss sich ebenfalls der Diskussion stellen. Prof. Bhakdi’s Aufttritt weist in diesem Zusammenhang einige Mängel auf. Einen Faktencheck zu einigen von seinen Aussagen aus dem Video (siehe Interview 1) findet ihr zum Beispiel  hier.

Auch einige seiner Behauptungen zur WHO bedürfen etwas Aufklärung. So bezeichnet er beispielsweise die WHO als allmächtig, verfassungslos und Generalsekretär Tedros Ghebreyesus als nicht angemessen ausgebildet (siehe Interview 1 – Minute 47:04). Wir möchten darauf verweisen, dass die WHO sehr wohl eine Verfassung hat und sie nach allgemeinem Demokratieverständnis gar nicht allmächtig sein kann, da sie einen Zusammenschluss von Staaten bildet und daher in jedem Belang auf die jeweiligen Vertreter dieser Staaten angewiesen ist. Der momentane Generalsekretär Dr. Tedros bringt für die Ausübung seiner Tätigkeit immerhin mehrere Studienabschlüsse in Gesundheitswissenschaften und langjährige Erfahrung in der Gesundheitspolitik mit (hier).

Prof. Bhakdi verweist außerdem auf die Aussagen von Prof. John Ioannidis (Interview 2 Minute 08:00), ein viel zitierter Gesundheitswissenschaftler und Statistiker der Universität Stanford, welcher zwar kritisch die bisherigen Zahlen und Forschungsergebnisse betrachtet, aber im Gegensatz zu Bhakdi Verständnis für den Umgang mit der Krise aufzeigt.

Interessant ist auch der Vergleich beider Kritiken. Prof. Ioannidis macht zwar auf mögliche Fehler in der Vergangenheit aufmerksam, spricht sich aber ausdrücklich gegen jede Schuldzuweisung aus und betont die Notwendigkeit die nun vorhandenen Daten mit in Betracht zu ziehen. Prof. Bhakdi, trotz ruhigem und prinzipiell höflichem Tonfall, neigt zu absoluten Aussagen mit mangelhaften Vergleichen (z.B. in Bezug auf den Generaldirektor der WHO).

Transparenz und kritische, aber auch respekt- und verständnisvolle Diskussion sind wichtig für eine demokratische Auseinandersetzung mit den Pandemiemaßnahmen. Mischen sich allerdings klare Falschaussagen in die Diskussion, kann es zu einer Verschiebung der Wahrnehmung und zu einem Vertrauensverlust in die Wissenschaft kommen. Dies sollte bewusst vermieden werden. Auch die Sinnhaftigkeit von Schuldzuweisungen in einem Moment, in dem noch so viele Informationen fehlen, darf hinterfragt werden. 

Kritik kann  viele Formen annehmen – am besten macht man sich selbst ein Bild. Hier die Interviews mit Prof. Bhakdi also auch Prof. Ioannidis:

 

Interview 1: https://www.servustv.com/videos/aa-23ud73pbh1w12/

 

Interview 2: https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=QUvWaxuurzQ&feature=emb_logo

 

Weitere Gedanken zur zunehmenden Kritik am Umgang mit der Krise: https://www.aerzteblatt.de/archiv/213849?rt=6a1a74dfe827647f851ae46305bad588