Steht uns ein Umschwung in der Wirtschaftspolitik bevor?

Die Wirtschaft fährt im Moment in vielen Ländern einen Kurs, der an Kriegszeiten erinnern lässt – vorübergehend, möchte man meinen. Die Geschichte der letzten 500 Jahre lehrt uns allerdings, dass diese vorübergehenden Maßnahmen meist längerfristig bestehen bleiben, weshalb nach der Pandemie wohl vieles nicht mehr so sein wird wie vorher, selbst wenn sich eine Wirtschaftskrise, wie die 2008/09 verhindern lässt.

Offensichtlich müssen Regierungen auf die Pandemie mit neuen Regulierungen reagieren. Das tun sie beispielsweise mit  Infektionsvorschriften, wie dem Abstandsgesetz oder Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze, wie dem Kurzarbeitsgesetz. Allerdings ist das nur die Spitze des Eisbergs. Neben diesen öffentlichkeitswirksamen Richtlinien kommen auf kommunaler, staatlicher und internationaler Ebene eine Menge Regularien hinzu, welche das komplexe Wirtschaftssystem retten sollen. 

Was ist bisher passiert? Zurzeit wollen sowohl die Zentralbanken, als auch Wirtschaftspolitiker*innen, dass investiert wird. Deswegen wurde der Leitzins um mehr als 0,5% gesenkt, was bedeutet, dass Kredite günstiger werden und unzählige Steuererleichterungen sollen die Wirtschaft ankurbeln. Ein Beispiel für solche Maßnahmen ist der Gesetzentwurf, den der amerikanische Kongress letzte Woche verabschiedet hat. Er soll die Ausgaben des Landes in die Höhe treiben, doppelt so hoch wie in der Wirtschaftskrise von 2008/09.

Zahlen sind in diesem Zusammenhang aber nicht genug. Qualitative Veränderungen werden beeinflussen, wie Entscheidungsträger*innen Einfluss auf die Wirtschaft nehmen werden – viele von ihnen haben neue Verantwortungen übernommen, welche davon sind in Anbetracht der Umstände gerechtfertigt und welche nicht? Welche Kriterien werden verwendet werden um diese Entscheidungen als erfolgreich oder gescheitert einzuschätzen? Die Zeitschrift „The Economist“ schreibt, die Welt sei in der Frühphase einer Revolution der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung.

Weitere Maßnahmen, die die Wirtschaft beeinflussen, betreffen die Gehaltszahlungen nicht arbeitender Angestellter. Viele europäische Staaten zahlen die Gehälter momentan direkt aus, bis zu 80% vom Normalverdienst (Großbritannien). Die USA hingegen vergibt Kredite an kleine Unternehmen, welche nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn das Unternehmen seinen Mitarbeiter*innen weiterhin einen Lohn auszahlt. 

All diese temporären Maßnahmen werden von den meisten Wirtschaftswissenschaftler*innen unterstützt. In Krisenzeiten erlangt ein Staat in der Regel mehr Kontrolle über die Wirtschaft, was auch in Zeiten dieser Pandemie Sinn macht. Doch ist es so, dass die Kräfte, die einen Staat in diesem Machtzuwachs unterstützen meist stärker sind als die, die ihn nach der Krise wieder dazu ermutigen diese Macht abzutreten. Schwarz-Weiß denken ist hier aber nicht angebracht. Krisen waren schon immer ein Motor wirtschaftlicher Weiterentwicklung. Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19 Pandemie können vielschichtig sein. Höchstwahrscheinlich steigt in den nächsten Jahren die Staatsverschuldung, woraufhin sich die Regierungen etwas einfallen lassen müssen um diese Schulden zurückzuzahlen. Eine Option wäre, die Vermögenssteuer zu erhöhen, wie es beispielsweise nach dem ersten und zweiten Weltkrieg entschieden wurde.
Außerdem wird uns gerade gezeigt welche vielfältigen Möglichkeiten der Staat  in einer Krise hat. Die Bevölkerung wird sich deswegen fragen, wenn Politiker in der Lage sind dieses Mal Arbeitsplätze zu retten, warum sollten sie das nicht auch in der nächsten Krise schaffen. Das erhöht den Druck auf die Politik. Weitere Folgen könnten sein, dass der Widerstand gegen Migration wächst und die Entwicklung von dichten städtischen Zentren gebremst wird, was zu höheren Wohnungspreisen führen kann.  Staaten werden vermutlicher unabhängiger von anderen Ländern werden wollen, was die Versorgung mit medizinischen Geräten und Medikamenten angeht, dadurch wird aber die Globalisierung gebremst. Radikale Veränderungen könnten uns bevorstehen.

 Bevor wir nun aber aus Zukunftsangst in ein tiefes Loch versinken, sollten wir uns in Gedächtnis rufen, dass all diese wirtschaftlichen, als auch Quarantänemaßnahmen im Endeffekt ein Privileg sind, welches Menschen in vielen Ländern dieser Welt nicht haben.

 

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https://www.economist.com/briefing/2020/03/26/rich-countries-try-radical-economic-policies-to-counter-covid-19