Fallzahlen, Letalität & Testkapazität – können wir den Daten trauen?

Sowohl Medien als auch Einzelpersonen schauen zur Zeit auf die täglich veröffentlichen Daten zu Fallzahlen und Mortalität von COVID-19, zum Beispiel von der John Hopkins Universität  oder in Deutschland vom RKI. Aber wie genau sind diese Zahlen eigentlich? Die Qualität der Daten geht Hand in Hand  mit ihrer Erhebung – in diesem Fall also den durchgeführten Tests. Wann und ob ein Test durchgeführt wird, ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt und auch Testkapazitäten (z.B. qualifizierte Labore, vorhandene Testkits) variieren. Das heißt, man kann die Zahlen aus verschiedenen Ländern nicht eins zu eins vergleichen. Und auch innerhalb eines Landes  ändern sich manchmal die Vorgaben oder Kapazitäten – das kann dann dazu führen, dass die Kurven sich verändern und es scheint, als ob es mehr oder weniger Fälle gibt. Der eigentliche Grund ist allerdings oft ein verändertes Testverhalten. Gerade auch tagesaktuelle Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, da es mit ansteigenden Fallzahlen zur Verzögerungen in der Testung und Datenübermittlung kommt. Dies wird beispielsweise in der Darstellung des RKIs deutlich, in der die nachgemeldeten Fälle in einer anderen Farbe gekennzeichnet werden.

Quelle: RKI Deutschland; https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_0/

Zur Letalität, also dazu wie viele infizierte Personen an der Erkrankung sterben, gibt es momentan keine verlässlichen Daten. Während manche Regionen Werte um die 4% angeben, hat Deutschland momentan eine niedrige Rate von nur etwa 0,4%. Für diese Unterschiede gibt es eine Reihe von Ursachen, beispielsweise: 

  • echte Unterschiede, zum Beispiel aufgrund von demographischen (mehr Menschen aus Risikogruppen/ mit hohem Alter) oder kulturellen Verschiedenheiten.
  • viele Infizierte werden aufgrund geringer/keiner Symptome nicht erfasst (die “Case Fatality Rate” berechnet sich aus der Anzahl der Todesfälle geteilt durch die Anzahl aller Infizierter, werden weniger infizierte aber (fast) alle Todesfälle erfasst, steigt die Zahl an)
  • geringe Testkapazitäten (weniger Infizierte werden erfasst) 
  • Zeitpunkt der Erfassung (Deutschland steht noch am Beginn der Erkrankungswelle, so dass einige der momentan Infizierten eventuell im Verlauf noch versterben. Für eine abschließende Einschätzung ist es daher noch zu früh)

In der Konsequenz heißt das: Die berichteten Zahlen können uns helfen ein Gefühl für die Situation zu entwickeln, es ist aber zu beachten, das die Qualität erheblich von den Testkapazitäten abhängt und wir mit genaueren Einschätzungen noch abwarten sollten. Uns aufgrund kleiner Veränderungen der Kurve täglich verrückt zu machen, bringt uns sicherlich nicht weiter….

 

Weiterlesen: 

https://www.ebm-netzwerk.de/de/medien/pdf/stn-20200320-covid-19-ebmnetzwerk.pdf

https://www.sciencemediacenter.de/fileadmin/user_upload/Fact_Sheets_PDF/Letalitaet_SARS-CoV-2_SMC_FactSheet_26022020.pdf